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Wieviel Naturzerstörung darf im FFH-Gebiet Böcklmoos sein?

Gravierender Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot der EU-Richtlinie

 (20.7.2011) Unsere Einwände richten sich nicht gegen die Straßensanierung als solche, jedoch ausschließlich gegen die Art der Bauausführung.

Bilddokumentationen:

Die Vernichtung des kartierten Biotops

Wie die Moorentwässerung funktioniert

Vom Orchideenstandort zur Hochstaudenflur

Seit Mittwoch, 13.7.2011 bemühen wir uns um eine Schadensbegrenzung, aber offensichtlich erfolglos.

Auf der gestrigen Gemeinderatssitzung wurde seitens der Gemeinde eingeräumt, sie habe übersehen, die Baufirma über das Schutzgebiet zu informieren; auch in die Ausschreibung sei kein entsprechender Hinweis aufgenommen worden. Zugleich wurde deutlich, dass bei der Straßenbaumaßnahme die Wiederholung des bereits bei der Kanalbaumaßnahme gemachten eklatanten Fehlers droht, den ausgeschotterten Dolomitkies mit Grassamen zu begrünen.

 Zur Begutachtung der aktuellen und der zu befürchtenden künftigen Verschlechte-rungen haben wir einen Geologen hinzugezogen, der die Folgen der Bauausführung in einer ersten Stellungnahme uns gegenüber beurteilt hat und Vorschläge unterbrei-tet hat, wie die Verschlechterung verhindert werden kann. Den wesentlichen Inhalt dieser Stellungnahme dürfen wir Ihnen nachfolgend wiedergeben:

 Das FFH-Gebiet von Böckl- und Dachmoos mit Böcklweiher liegt in der Geländever-flachung, die dem Sillberg im Osten vorgelagert ist.

 Geologisch besteht der tiefere Untergrund des Moor-Gebietes aus alpinem Haselgebirge (in der Tristram-Schlucht zu sehen), das überlagert wird von bis zu 70 m mäch-tigen Seetonen der Würmeiszeit (RISCH 1993,S.77, Abb.18).

Diese Seetone unterlagern überall unmittelbar die Moore und Feuchtwiesen und sind so, zusammen mit den Quellen am Westrand des Moorgebietes, Verursacher der Staunässe, einer der Hauptursachen für die Bildung der Moore.

Die wasserstauenden Seetone führen dazu, dass z.B. auch das Niederschlagswas-ser nicht versickern kann, sondern in Tümpeln stehen bleibt und durch den gegebenen dichten Pflanzenbewuchs am schnellen Ablauf zu den Vorflutern (Böcklbach, Bischofswieser Ache) gehindert wird.

 Jede Verringerung des Wasserhaushaltes der Moore und der Feuchtwiesen sowie der geochemischen Wasserzusammensetzung der Moorwässer in diesem Gebiet führt zwangsläufig zu einer Veränderung und damit. Verschlechterung der bisherigen Lebensbedingungen von Fauna und Flora dieses Biotop-Gebietes.

 Das Auftreten mehrerer bedrohter Arten, wie Sumpf-Glanzkraut, mehrere andere Orchideenarten, heller und dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling sowie Gelbbauchunke und Kammmolch, in diesem größten zusammenhängenden Moorgebiet der Berchtesgadener Alpen war auschlaggebend für die Meldung zum europäischen Naturerbe Natura 2000, dem europäischen Biotopverbundnetz, das den Erhalt bzw. die Wiederherstellung von Biotopen und Populationen zum Ziel hat.

 Beim 2007 verabschiedeten Gebiets-Managementplan  "Böckl- und Dachl-Moos" für das lebende Hochmoor im Zentrum, umgeben von Moorwäldern, Übergangs- und Schwingrasenmooren und kalkreichen Niedermooren, ist die Regierung von Ober-bayern als Obere Naturschutzbehörde federführend. Der Management-Plan enthält insbesondere den Punkt Erhaltung der Fichten-Moorwälder (prioritär) am Böcklweiher mit ihrem naturnahen Wasser- und Nährstoffgehalt.

 Die EU-Richtlinie fordert für die Natura 2000-Gebiete Vorschläge für zweckmäßige Erhaltungsmaßnahmen im Rahmen eines Managmentplanes, der für Grundstücksei-gentümer und Nutzer nur Hinweischarakter hat. Allein das Verschlechterungsverbot ist maßgeblich und gegen dieses wird durch die Art der Durchführung der Straßen-baumaßnahme gravierend verstoßen.

 Bei Straßensanierung Koppenweg im Böcklmoos wurde die Straße von 3,30 m auf nunmehr bis zu 7m verbreitert und durch den Torf bis in die darunterliegenden Seetone 0,9 m tief ausgekoffert. Der Unterbau des alten Straßenkörpers war nur gering. Infolgedessen gab zahlreiche Frostaufbrüche.Der in die Auskofferung eingebrachte Dolomit- Schotter wurde mit einem 4 m breiten Vlies unterlegt, das der Verbesserung des Straßenunterbaus dient.

 Trotz technischer Verdichtung ist der Dolomit-Schotterkörper wasserdurchlässig, wie jetzt in der frühen Bauphase schon gut sichtbar ist: So strömt z.B. am Nordende, wo Gefälle nach Norden vorliegt, und am Südende, wo das Gefälle des Schotterkörpers nach Süden verläuft, fließendes Wasser am unteren Kontakt Schotterkörper/Seeton aus. Dieses Wasser strömt offenbar bergseitig aus dem Moor und den Feuchtwiesen nunmehr vermehrt in die Dolomit-Schotter-Schüttung ein, und entwässert aufgrund der neuen Situation deutlich verstärkt die bergseitigen Gebiete, weil im Straßenkör-perbereich eine Versickerung stattfindet und hier eine Pflanzendecke über einem abdichtenden Untergrund fehlt.

 Der Dolomit-Schotter des neuen Straßenkörpers funktioniert also wie ein wasser-abführender Kanal. Er wirkt damit als unerwünschter künstlicher Vorfluter.

Eine unmittelbare negative Auswirkung auf den bergseitigen Wasserhaushalt der Ökogebiete und ihre Fauna und Flora ist damit vorprogrammiert!

Die Entwässerung der bergseitigen Gebiete wird durch Verlegung von Beton-Kanalrohren von 40 cm Durchmessser quer durch den Straßenkörper extrem verstärkt. Besonders deutlich tritt dies zutage bei dem kleinen Tümpel (Lebensraum von Kammmolch, Gelbbauchunke) vor dem Wäldchen westlich der Straße.

Dieser kleine Teich, der jetzt aufgrund der unbedachten Baumaßnahmen trockengefallen ist, war Ziel einer Öko-/Populationsstudie. Wenn der Teich nicht umgehend wieder entsprechend aufgestaut wird, geht dieser Biotop, wie Studien aus anderen Gebieten zeigen, unwiederbringlich verloren.Darin läge ein eklatanter Verstoß gegen die im Managementplan vorgesehenen Erhaltungsmaßnahmen und gegen dasVerschlechterungsverbot.

 Der neue, frisch geschüttete Dolomitschotter-Straßenkörper grenzt talseitig direkt an die dort folgenden Feuchtwiesen und Moorgebiete. Infolgedessen können ungehindert karbonatreiche Lösungen aus diesem Schotter in den angrenzenden Feuchtboden überfließen. Dieser Effekt wird noch durch das Eintreten der sauren Moorwässer von der Bergseite her in den Schotter-Körper verstärkt, weil diese Wässer mit niedrigem PH-Wert das Kalzium-Magnesium-Karbonat des Schotters verstärkt anlösen.

 Dass mit Änderung der Geochemie durch Anstieg des Karbonatgehaltes im Boden-wasser sich bald die Flora ändert, zeigt sich bereits am schmalen, ebenfalls mit Dolomit aufgeschotterten kleinen Feldweg, der zu Beginn der neuen Straße nach Westen abzweigt und zu den weiteren Hinweistafeln über die Schutzwürdigkeit des Gebietes führt. Hier entsteht längs des Weges eine Hochstaudenflur. Auf diesen Informationstafeln übernehmen für deren Inhalt die Gemeinde Bischofswiesen, die Bayerische Staatsforsten und das Biosphärenreservat die Verantwortung. Diese und das Landratsamt dürfen sich aber nicht mit den darin enthaltenen Informationen begnügen. Vielmehr gilt es, die verkündete Entschlossenheit, das Gebiet zu schützen, auch in die Tat umzusetzen.

 Zur Verhinderung von Schäden am Moor, an den Feuchtwiesen und an den dort lebenden Pflanzen- und Tier-Populationen sollte beim jetzigen Straßen-Konzept hangseitig eine wasserdichte Abdichtung (etwa Plastiknoppen-Matten, wie man sie beim Hausbau gegen Grundfeuchtigkeit anbringt) bis in das Niveau der bergseitigen Wiese bzw. des Moores gelegt und sicherheitshalber bis unter  das Niveau der Basis des Dolomit-Schotterbettes heruntergezogen werden. Ebenso sollte eine solche Folie talseitig den Dolomit-Schotterkörper gegen die anschließenden Wiesen und Moorgebiete abschirmen.

Zusätzlich sollte das hangseitig zufließende Wasser im Abstand von ca. 5 m mittels Rohren oder festen Schläuchen geeigneten Durchmessers (ca. 5 cm) auf die Talseite geleitet werden. Damit käme dieses "authentische" Wasser wieder der Befeuch-tung der angrenzenden Wiesen talwärts zugute (Prinzip der kommunizierenden Röhren). Der Abfluss des von der Hangseite zufließenden Wassers könnte auf diese Weise gesteuert werden. Diese Rohre sollten anschließend mindestens 1x im Jahr auf ihre Durchgängigkeit geprüft werden.

Zur Sicherheit sollte ferner am nördlichen Beginn der Straße am Rand der neuen Schotter-Auffüllung und am Boden der Auskofferung eine ca. 20 m lange Drainage gelegt werden, die zum heutigen, neuen Abfluss des Böcklweihers hin entwässert.

Jetzt, in der noch frühen Phase der Bautätigkeit und vor Aufbringen der Teerdecke, wäre ein Anbringen der Plastiknoppen-Matten, die seitlich miteinender verschweißt/ abgedichtet werden müssen, und der Durchleitungsrohre bzw. der Drainage mit relativ geringem Arbeitsaufwand verbunden und technisch verhältnismäßig einfach und schnell zu bewerkstelligen.

Unabdingbare Voraussetzung für die Ausführung all dieser Schutzmaßnahmen ist jedoch ein vorläufiger Baustopp für die noch ausstehenden Arbeiten (Teeren etc.).

Falls dieser und die daran anschließenden Schutzmaßnahmen unterbleiben, sehen wir darin einen eklatanten Verstoß gegen die fundamentale Regel des ökologischen Schutzes eines Natura 2000-Gebietes, nämlich gegen das Verschlechterungsverbot.

 Außerdem verstößt das Ausbringen von Dolomitkies und Betonresten auf Waldflächen gegen den Managementplan-Punkt „Erhaltung der Moor-Fichtenwälder“!