Zentralklinik: Unnötige Vernichtung von Natur und Ressourcen stoppen
Zentralklinik: unnötige Vernichtung von Natur und Ressourcen stoppen
(09.01.2022) Im Verlauf mehrerer Sitzungen beschäftigten sich die Mitglieder des BUND Naturschutz (BN) vor Ort mit dem geplanten Klinik-Neubau in Bad Reichenhall. Als neuer Standort für eine „Zentralklinik“ wurde nun eine Fläche direkt an der Saalach in Bad Reichenhall vom Kreistag beschlossen. Bisher hat sich der BN an den Debatten nicht beteiligt, zu vage erschienen die Aussagen und der Ortswechsel nach Piding. Insgesamt erschließt es sich nicht, weshalb der jetzige Standort geschaffen werden muss und komplett neu gebaut werden soll.
Die Kliniken Südostbayern AG (KSOB) haben im Kreistag bereits 2018 einen Beschluss erreicht, der in Bad Reichenhall einen Neubau statt einer Sanierung am jetzigen Standort vorsieht. Auf der Suche nach überzeugenden Argumenten wurde keines der BN¬-Mitglieder wirklich fündig. Der moderne, größere Bettenbau war damals 16 Jahre alt, die Stadt Bad Reichenhall hatte von 1992 bis 2002 insgesamt 65 Millionen DM investiert.
2018 bezeichneten die KSOB ein Gebäude bereits nach 30 Jahren als baufällig, ein Umbau im Bestand würde 136 Millionen € kosten, mindestens 14 Jahre dauern und wäre „die ultimative Katastrophe“. Ein Neubau dagegen wäre, ohne Grunderwerb für 125 Millionen €, nach drei Jahren bezugsfertig, frühestens im Jahr 2024. Aufgrund dieser Aussagen entschied sich der Kreistag 2018 natürlich für den Neubau. Welche Expertise diese Behauptungen rechtfertigte, erfuhren nachprüfbar weder die Kreistagsmitglieder noch die übrige Öffentlichkeit. Wie Dr. Michael Wittmann zusammenfasste, müsse dieses Gutachten den Kreisräten und Bürgern bekannt gemacht werden, damit eine fachlich fundierte Debatte dazu stattfinden kann.
Im 2021 veröffentlichten Geschäftsbericht 2020 der KSOB wird immer noch auf die Möglichkeit einer „schrittweisen Ablösung der bisherigen Bausubstanz am bestehenden Standort“ hingewiesen. Gilt das nun wenige Monate später nicht mehr? Dies fragt sich nicht nur Ortsvorsitzender Dr. Michael Wittmann, nachdem die KSOB 2021 von Landwirten und Max Aicher 5 ha Grund im Bereich der Behinderten-werkstätten in Piding für einen Neubau kauften. Mit diesem Faustpfand und der Prämisse, es käme nur ein Neubau in Frage, stellte die KSOB im Sommer 2021 den Reichenhaller Stadtrat vor die Alternative, entweder einen Baugrund in Bad Reichenhall anzubieten oder der Klinikstandort wandert nach Piding. So kam die Stadt Bad Reichenhall auf das Grundstück zwischen B 20/21 und der Saalach. Von einer Sanierung am aktuellen Standort war plötzlich überhaupt nicht mehr die Rede, wogegen das wesentlich größere Haus in Traunstein im laufenden Betrieb über viele Jahre umgebaut werden kann.
Das annähernd dreieckige Areal zwischen Saalach und B20/21, gegenüber der Therme, ist teilweise Wiese, umfasst aber auch das bei Reichenhallern äußerst beliebte Freizeitareal mit Skaterplatz, Spielplatz, zwei Fußballplätzen mit Flutlicht, einem Beachvolleyballplatz, sowie den angrenzenden Wohnmobilstellplatz. Dieses Areal wurde erst in den letzten Jahren errichtet und wird vor allem von der Jugend stark frequentiert, wie Ute Billmeier anmerkt. Am Saalachufer hat das Wasserwirtschaftsamt erst eine Erholungsfläche eingerichtet. Das Areal zu überbauen wäre ein herber Verlust für die Lebensqualität in der Stadt, da ein adäquater Standort nicht in Sicht ist.
Wolfgang Bittner weist darauf hin, dass mit einem Klinikneubau an der Saalach die „grüne Achse“ der Stadt, die sich vom Kurpark über Rosengarten, Rupertuspark, der Allee neben dem Skaterplatz zum Saalachuferweg erstreckt, verloren ginge.
Das Wasserwirtschaftsamt entschied jetzt binnen kürzester Zeit, und nur wenige Monate nach dem desaströsen Hochwasser in Berchtesgaden, es gäbe keine größeren Probleme für einen Bau in dieser Lage. Diese Einschätzung ist für Naturschützer nicht nachvollziehbar. Das Areal grenzt direkt an die Saalach. In Anbetracht der Erfahrungen des Juli-Starkregens und Hochwassers sollte nach Auffassung von Erich Prechtl eine Grünfläche direkt am Flussufer für großflächige Versiegelungen tabu sein.
Auch verkehrstechnisch bringt der geplante Standort mit den erforderlichen Anbindungen an die B20/21 enorme Probleme und Baumaßnahmen mit sich, die weitere Zunahme von Staus ist vorprogrammiert. Und die Klinik wäre voll dem Lärm dieser Straße ausgesetzt.
Der Neubau wird jetzt auf 175 Millionen € geschätzt, das sind 50 Millionen mehr als die Schätzung von 2018. Völlig unberücksichtigt bleibt unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten die seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2021 notwendige Klimabilanz, merkte Kreisvorsitzende Rita Poser an.
Die KSOB legen jetzt größten Wert auf die Hotelleistungen, die wohl mit einem Neubau besser umzusetzen sind. Aus unserer Sicht sind weit wichtigere Krankenhausqualitäten die gute ärztliche und pflegerische Betreuung, insbesondere auch die persönliche Zuwendung durch das Personal. Und dies für alle Patienten, nicht nur für Selbstzahler und Privatpatienten.
Aus Sicht des Bund Naturschutz entbehrt es jeglichem ökologischen und gesamtgesellschaftlichen Verständnis, in Zeiten der Klimakrise und der extremen Verschuldung der öffentlichen Haushalte infolge der Pandemie jetzt einen unnötigen Neubau durchzuboxen, obwohl es eine deutlich Umwelt- und Klima-schonendere und finanziell weniger aufwändige Lösung gäbe. Der Kreistagsbeschluss von 2018 muss insbesondere aufgrund der aktuellen Entwicklungen als überholt und revisionsbedürftig gelten.
Dr. Michael Wittmann