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Wiederaufbau Kunsteisbahn Königssee: Fragenkatalog an die Kreis- und Fraktionsvorsitzenden von CSU, FW, SPD, GRÜNE sowie ÖDP, Bürgerliste, FDP im Kreistag des Berchtesgadener Lands

11.05.2023

Wiederaufbau Kunsteisbahn Königssee: Fragenkatalog an die Kreis- und Fraktionsvorsitzenden von CSU, FW, SPD, GRÜNE sowie ÖDP, Bürgerliste, FDP im Kreistag des Berchtesgadener Lands

Bund Naturschutz in Bayern e.V. Kreisgruppe BGL, Rita Poser, Kreisvorsitzende
Landesbund für Vogelschutz e.V. Kreisgruppe BGL, Toni Wegscheider, Kreisvorsitzender

Bald soll der der Kreistag den Wiederaufbau der Kunsteisbahn Königssee beschließen und Steuergeld in enormem Umfang fließen, ohne dass bisher ein fundiertes Gesamtgutachten zu den Georisiken vorliegt. Nicht nur Naturschutzverbände sind irritiert. Wird angesichts von Energie- und Klimakrise, Biodiversitätskrise und Staatsverschuldung wie nie zuvor auf eine sachlich nachvollziehbare Abwägung wichtiger Kriterien verzichtet?

Wir bitten Sie für Ihre Partei um Beantwortung folgender Fragen:

1.            Weshalb wird der Kreistagsbeschluss vom 22.10.2021, erst dann endgültig über den Wiederaufbau der Kunsteisbahn zu entscheiden wenn das geologische Gutachten vorliegt, fortwährend unterlaufen, indem immer neue Tatsachen geschaffen werden, die die damals gewünschte ergebnisoffene Entscheidung ins Leere laufen lassen?

Hintergrund: Immer wieder gibt es Entscheidungen, die z.T. allein der Landrat trifft, wie zuletzt im Dezember 2022, über die der Kreistag erst im Nachhinein informiert wird und das obwohl am Anfang des Prozesses auch vom Landrat immer wieder betont wurde: Volle Transparenz. Das geologische Gutachten wurde bis heute nicht vorgelegt, der Kreistagsbeschluss steht noch immer aus.

2.            Wie sinnvoll ist es, trotz bekannter Georisiken ohne Vorliegen des geologischen Gutachtens die Planungen in der Wildbachschlucht voranzutreiben?

Hintergrund und relevante Fakten:

a.            Die geplante Geschiebedosiersperre ist nur für 3800 m³ ausgelegt, obwohl 2021 schlagartig 10.000 m3 anfielen. Es ist nicht vorhersagbar, welche Schäden bei einem weiteren Extremwetterereignis auftreten.

b.            1970 bis 2001 gab es 2 Extremhochwässer der Königsseer Ache, 11(!) dagegen von 2002 bis 2022 (Daten: GKD Bayern). Starkregen wie am 17.07.21 sind jetzt dreimal wahrscheinlicher als vor 2000 (B. Poschlod, Universität Hamburg), große Schlamm- und Schuttlawinen sogar sechsmal (B. Krautblatter, TUM).

c.            Kunsteisbahn und Zusatzbauten bleiben im Tobel unmittelbar am Bachbett, obwohl der Wildbach Platz bräuchte, um Geröll gefahrlos abzulagern. Der riesige Schwemmkegel des Klingerbachs, auf den man die Kunsteisbahn baute, bezeugt die gewaltige Aktivität des Wildbachs bei Hochwasser über Jahrhunderte. Hätte man den Tobel nicht angerührt, wäre 2021 (fast) nichts passiert! Erst die Bahn-Querbauten lenkten den Wildbach aus und verursachten das Desaster. Klimawandel bedeutet für den Wildbach die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Schadereignissen.

d.            Am Grünstein-Steilhang und im weiteren Hinterland der Kunsteisbahn lagern noch zehntausende Kubikmeter Lockermassen, die sich beim nächsten Extremwetterereignis in Bewegung setzen können. Statt diese Gefahr zu berücksichtigen, lässt man das Planungsgebiet unmittelbar vor den Lockermassen enden. Darauf bekamen wir vom Generalplaner bei der Vorstellung an der Kunsteisbahn am 17. Januar 2023 auch keine Antwort.

e.            Die Kunsteisbahn verläuft über hunderte Meter direkt unter Wänden und Steilabstürzen. Das Georisiko Felssturz, auch in größerem Umfang, ist und bleibt ganz erheblich, auch wenn die Zäune verlängert, erhöht und verstärkt werden sollen.

f.             Die übrigen drei Kunsteisbahnen Deutschlands stehen auf sanften, ausladenden Hängen; Gefahren durch Hochwasser, Muren, Blocklawinen oder Felssturz sind dort völlig ausgeschlossen.

 

3.            Welche Aktivitäten sind Ihnen bekannt, um für den Fall des Wiederaufbaus eine Elementarschadensversicherung für die Kunsteisbahn abzuschließen?

Hintergrund: In der Kreistagssitzung vom 22.10.2021 wurde vom Leiter der Hauptverwaltung des Landratsamtes die Aussage getroffen, dass Versicherungen gewisse Lagen nicht absichern. Gleichwohl werde man im Falle eines Wiederaufbaus die Thematik erneut intensiv prüfen. Dazu ergänzte der Landrat, dass man Gutachter brauche, um fundierte Grundlagen für eine Entscheidung zu haben. Versichert werden müssen auch Schäden durch Ammoniak-Austritt.

(Das Kühlmittel Ammoniak ist eine farblose, stechend riechende, unter Normaldruck gasförmige Chemikalie mit Gefahrstoffkennzeichnung ätzend, sehr giftig, umweltschädlich, aufzubewahren unter Druck. Freigesetztes Ammoniak ist nicht nur höchst giftig für Leib und Leben von Mensch und Tier, sondern auch für den Königssee, dem durch Eutrophierung nicht wieder gut zu machende Schäden drohen. An diesem Juwel der Berchtesgadener Alpen lagern ca. 40 m3 Flüssig-Ammoniak, potenziell gefährdet durch Felssturz und Wildbach-Geröll.)

 

4.            Wären Unterlieger nicht besser geschützt, wenn man dem Wildbach reichlich Raum ließe, um bei Hochwasser Geröll gefahrlos abzulagern?

Hintergrund: Die Bauten der Bahn lenkten 2021 den Wildbach aus. Jedes weitere Extremhochwasser birgt das Risiko, dass erneut mit hohen Geldsummen aufwändige Bauten und Sicherungen am Eingang des einzigen deutschen Alpen-Nationalparks durchzuführen sind.

 

5.            Ist es aus Ihrer Sicht sozial und ethisch vertretbar, Mittel des Aufbauhilfefonds 2021, der von Bund und Ländern für vom Hochwasser schwerst betroffene Bürger/innen gedacht ist, für die Kunsteisbahn-Restauration zu verwenden?

Hintergrund: Neben Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gab es 2021 in 18 bayerischen Landkreisen extreme Hochwasserschäden. Doch fließt fast ein Fünftel des bayerischen Fondsanteils in die Kunsteisbahn Königssee. Ihr Wiederaufbau wird zu 100 % fondsfinanziert, während „Normalgeschädigte“ nur 80 % bekommen. Schwerstgeschädigte erhalten auch keinen Zuschlag, trotz explodierender Baupreise.

6.            Ist es wirklich für den Klimaschutz zukunftsweisend, wenn für den Bau energieintensiver Sporteinrichtungen die Trainingsmöglichkeiten der Kinder zur Begründung dienen, denn schließlich sind sie es, die mehr als die heutigen Projektentscheider von der Klimakatastrophe betroffen sein werden?

Hintergrund: Angesichts von vier Kunsteisbahnen in Deutschland, und 100 Millionen Euro, die erst im letzten Jahr für die Rodel- und Biathlon-WM in Oberhof ausgegeben wurden, erscheinen Überlegungen sinnvoll, Aufwendungen für eine nur von wenigen Sportlern betriebene Sportart nicht stetig zu erhöhen. Kunsteisbahnen und die dazugehörigen Sportgeräte sind im höchsten Maße kostenintensiv (die Entwicklung eines Bobs kostet Summen im Millionenbereich), weshalb es weltweit auch nur 18 Anlagen gibt, die noch betrieben werden, Königssee inklusive. Im Gegensatz dazu wurden bereits 30 Anlagen geschlossen, darunter die Olympiaanlagen von Nagano (im Jahr 2018) und Calgary (im Jahr2019).

7.            Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Bedeutung der Kunsteisbahn im Hinblick auf die hohen steuerfinanzierten Kosten?

Hintergrund: Der Vorsitzendende der Tourismusvereinigung hat vorgetragen, dass die Bahn nur ca. 5000 – 8000 Übernachtungen je Großereignis bei einer Gesamtzahl von 2,5 Millionen pro Jahr bringe. Die Tourismusbranche betrachtet die Kunsteisbahn als für sie „kostenlosen“ Werbeträger.

 

8.            Wie ordnen Sie die Kunsteisbahn bzgl. Nachhaltigkeit, Energie- und Klimakrise ein?

Hintergrund: Das einmalige Naturpotenzial des einzigen deutschen Alpen-Nationalparks könnte durch Vermeidung massiver Verbauungen viel besser in Wert gesetzt werden. Der geplante Turm zur Bahnverlängerung wird neben den ganzen zusätzlichen Verbauungen die Landschaft um den Königssee nicht aufwerten. Angaben zur Höhe des Turms wurden bisher auch nicht gemacht.

Bei der Jennerbahn hat man jetzt die Reißleine gezogen und wird die energieintensive Beschneiung undPistenpflege aus Kostengründen de facto fast aufgeben, trotz Zuzahlung von mehr als 10 Millionen an Steuergeld für den Bau.

 

Wir bitten um schriftliche Beantwortung, damit Naturschutzverbände und Öffentlichkeit  - sich über die Positionierung Ihrer Partei und deren Hintergründe ein genaues Bild machen können.

Für Ihre Beantwortung möglichst bis Ende Mai 2023 danken wir im Voraus.

Rita Poser                            Toni Wegscheider

Für Rückfragen: Dr. Reinhard Bochter 0157 30676978;

                           Dr. Volker Diersche    08651 67981