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Warum werden Bäume im Wald gefällt?

(12.04.21) Herr Dr. Müller durfte uns wieder einmal die Strategie der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) anhand des Holzeinschlags an der Straße zum Thumsee erläutern. Ich hatte vor Wochen Gelegenheit mit einem Forstreferendar diese Fläche zu begehen, wie mit den Herren Graßl und Dr. Müller den Wald oberhalb der Kuglbachalm.

12.04.2021

Leserbrief zum Artikel „Warum Bäume im Wald gefällt werden“ im Reichenhaller Tagblatt vom 7.04.2021

Hiebsatz: Jährlich ca. 100.000 Bäume

Herr Dr. Müller durfte uns wieder einmal die Strategie der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) anhand des Holzeinschlags an der Straße zum Thumsee erläutern. Ich hatte vor Wochen Gelegenheit mit einem Forstreferendar diese Fläche zu begehen, wie mit den Herren Graßl und Dr. Müller den Wald oberhalb der Kuglbachalm. Die aktuell geschlagenen 506 Festmeter (fm) gemischtes Holz vom Nasenkopf sind sicher nicht das größte Problem. Herrn Müller ist aus der Zentrale der BaySF in Regensburg der jährliche Hiebssatz von 103.000 fm vorgegeben. Dies bedeutet, dass vom Forstbetrieb Berchtesgaden bei uns jedes Jahr etwa 100.000 Bäume gefällt werden (müssen?). Und Herr Dr. Müller ist stolz darauf, diese Vorgaben zu 100 % zu erfüllen. Er bringt als Feigenblatt das Waldgesetz mit zum Fototermin, welches aus dem Jahr 2005 stammt (geringe Ergänzung im November 2020). Bezeichnenderweise kommt in diesem Gesetz das Wort Klimawandel noch gar nicht vor. Das Allgemeinwohl wird beim Vorgehen des Forstbetriebs immer als erstes zitiert, um dann gleich auch zum Geschäftsmodell der BaySF zu kommen: die Holzerzeugung ist möglichst zu steigern.

Die BaySF-Experten (auch: „Forstakademiker“) aus Regensburg entscheiden am grünen (!?) Tisch auch über die Waldzusammensetzung, beispielsweise dass am Kuglbach nur 50 % Buchen stehen sollen. Obwohl an diesem Standort zweifellos mehr Buchen eine Zukunft hätten, müssen hier 30 % Fichten durchhalten. Deshalb zerpflügte der Harvester mit Raupenantrieb am Kuglbach steilste Hänge und Moosgründe (kann jeder besichtigen), um die eben erwachsenen Buchen, wie in Weißbach, zu ernten. Buchen kann man noch relativ gut verkaufen, sie werden dann in Oberösterreich zu Zellstoff für Gewebe und Windeln weiterverarbeitet.

Eine 100-jährige Buche bringt nach Abzug der Unkosten maximal zwischen 50 und 100 € Gewinn. Ein solch stattlicher Baum leistet aber für den Wasserhaushalt, das Mikroklima mit einem für jedermann spürbaren Kühleffekt, die Luftfilterung, CO2-Speicherung und Sauerstofferzeugung so unglaublich viel für das Allgemeinwohl, und das in jedem Jahr, durchaus weitere 100 Jahre lang. Diese nach Fällung verlorenen Werte gehen in keine Bilanz ein, hinzu käme noch der massive Schaden am Waldboden durch den Harvester. Die Nachwuchsgeneration, die an dieser Stelle aufwachsen soll, wenn Sie die Sommersonne nicht verdorren lässt, braucht mindestens 60 Jahre, bis sie annähernd diese Funktionen der einen Buche übernehmen kann. So wird aktuell unser Wald, und das ist der Staatswald, geradezu verramscht. Wo bleibt hier bitte das Allgemeinwohl?

Die Klimakrise wird sich zweifellos verschärfen. Jetzt aber stellen wir die Weichen für das Ausmaß der zukünftigen Temperaturentwicklung; wir sollten uns solch unzählige sechzigjährige Lücken im Klimaschutz nicht mehr erlauben.

Und es wäre ja zu schön, wenn alles Holz nicht zu Windeln, sondern zu langlebigen Produkten wie einem Holzhaus verarbeitet würde: bei uns jedoch wird bei der Sanierung der Kälberstein-Sprungschanzen die bisherige Holzkonstruktion durch Stahlbeton ersetzt. Ist der Mensch überhaupt noch lernfähig?

 

Dr. Michael Wittmann, Karlstein

(Text und Fotos)