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Waldzerstörung auf der Anthauptenalm

Diesmal kein „Dilemma“, sondern nur Absicht

Die schweren Eingriffe durch die Bayerischen Statsforsten (BaySF) in unsere Wälder, wie zuletzt an der Strailach, gehen weiter. Diesmal hat es ein Kleinod von Bergwald getroffen: im Lattengebirge südlich der Anthauptenalm, im kleinen Talgrund zwischen Luegerhorn und Hochmaiskopf. Dem im März 2022 verstorbenen Dr. Georg Meister wurde die Forststraße in der Weißwand gewidmet. Er war verantwortlich für die erfolgreiche Sanierung des Schutzwaldes in der Weißwand, die inzwischen als weitgehend lawinensicher gelten kann. Wald vor Wild war für ihn keine Floskel, er hat dieses Motto gelebt, und jetzt mit der vielfältigen Vegetation hat auch das Wild ein deutlich besseres Auskommen

09.01.2024

Diesmal kein „Dilemma“, sondern nur Absicht

 

Die schweren Eingriffe durch die Bayerischen Statsforsten (BaySF) in unsere Wälder, wie zuletzt an der Strailach, gehen weiter. Diesmal hat es ein Kleinod von Bergwald getroffen: im Lattengebirge südlich derAnthauptenalm, im kleinen Talgrund zwischen Luegerhorn und Hochmaiskopf. 

Dem im März 2022 verstorbenen Dr. Georg Meister wurde die Forststraße in der Weißwand gewidmet. Er war verantwortlich für die erfolgreiche Sanierung des Schutzwaldes in der Weißwand, die inzwischen als weitgehend lawinensicher gelten kann. Wald vor Wild war für ihn keine Floskel, er hat dieses Motto gelebt, und jetzt mit der vielfältigen Vegetation hat auch das Wild ein deutlich besseres Auskommen. Der Wald mit seinen vielfältigen Funktionen war für Dr. Meister sehr viel wertvoller als das Holz der Bäume, insofern war er auch extrem zurückhaltend mit dem Wegebau im Wald. Es war ihm klar, dass jede Straße nicht nur einen Teil des Waldes vernichtet, dass sich der Bau durch Holzernte auch lohnen muss, sondern dass jede Straße einen enormen Störfaktor für das komplexe Ökosystem Wald (und Wild) darstellt.

Wenige Meter vom höchsten Punkt dieses Dr.-Georg-Meister-Weges, zugleich das westliche Ende, müssen wir jetzt feststellen, dass seine fachlichen Expertisen, trotz der Ehrungen der letzten Jahre, wenig gelten. Einem Mitglied vom Bund Naturschutz und dem Verein zum Schutz der Bergwelt fiel Ende August 2023 auf, dass das westlich der Forststraße Richtung Anthaupten gelegene Waldgebiet über einen alten Forstweg neu erschlossen wurde. „Dieser Rückeweg wurde mit schwerem Bagger mit Abbauhammer verbreitert und in neuer Steinfräsentechnik grob aufgekiest. Knapp 1 km lang, … auch LKW-fahrbar, über 4 m breit, deklariert wohl als Schlepperweg. M.E. ein außergewöhnlich schwerer Eingriff.“ Den dort bestehenden Wald beschrieb er mit den Worten: „Es handelt sich um einen ganz herausragenden Altbestand plenterartig aufgelichteten Bergmischwalds mit sehr hohen dicken Fichten, reicher Naturverjüngung, Strauch- und Krautvegetation.“ Ein anderer Forstmann bezeichnete diesen Wald als „Urwald“.

Bei einer näheren Besichtigung Anfang September 2023 kam man über diesen stark verbreiterten, steil abwärts führenden Rückeweg in einen kleinen Talgrund auf etwa 1250m Seehöhe, der besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ein schmaler alter Rückeweg wurde dort über etwa 200m Länge mit grobem Schotter befestigt. Seitlich davon erfolgten großflächige Abtragungen der gesamten Vegetation bis etwa 10m Breite, hier liegt nur noch blanke Erde.

Wir haben nach diesem Wegebau in Sorge um diesen außergewöhnlichen Wald, sicher einen der schönsten im gesamten Lattengebirge, den örtlichen Leiter der BaySF, Dr. Daniel Müller, kontaktiert und ihn um die Beantwortung einiger Fragen gebeten.

Wir waren nicht verwundert über den einleitenden Satz der Antwort: „Wie Sie sicherlich wissen ist eine ausreichende Erschließung die Grundlage für jede naturnahe Waldbewirtschaftung.“ Es ist klar, dass hier der Schwerpunkt auf Holz-Bewirtschaftung liegt, und „naturnah“ kann man mit schweren Maschinen nicht arbeiten. Die Anlage der Wege wird als teurer Kollateralschaden hingenommen.

Angesprochen auf die großflächige Freilegung des Waldbodens im Talgrund antwortete Dr. Müller: „Auf einigen Flächen wurden neben dem Rückeweg Steine eingesammelt, die auf dem bestehenden Rückeweg nun als Befestigung dienen. Gleichzeitig wurde durch diese Maßnahme entlang des Weges die Bedingung für eine Naturverjüngung verbessert.“ Wer diesen Wald mit seiner vielfältigen Naturverjüngung mit Fichten, Buchen und Ahorn, der dichten Vegetation mit Sträuchern, der Boden vollständig mit Moosen, Farnen, Blaubeerbüschen usw. bewachsen, kennt, kann diesen zweiten Satz der Antwort nicht nachvollziehen. Den Boden in dieser Art offenzulegen zerstört nicht nur die Vegetation, sondern fördert den Humusabbau und die Freisetzung von Treibhausgasen. Wenn ein paar Steine wirklich bedeutsam waren: Kann man auf Straßenbau in tiefgründigem Boden nicht auch mal verzichten?

Ganz aktuell, am 5. Dezember, wurde vom Thünen-Institut der Waldboden zum "Boden des Jahres 2024" gekürt, da der Waldboden ein wichtiger Kohlenstoffspeicher und damit zentral im Kampf gegen die Klimakrise sei.

Bei einer erneuten Begehung im Lattengebirge Anfang Oktober empfingen uns bereits große Stapel von Baumstämmen mit teils über 150 Jahre alten Fichten, die Holzfällarbeiten waren abgeschlossen. Der anfänglich große Schreck über die großen Holzmengen hat sich etwas abgemildert durch die Größe der Fläche mit vielen Einzelentnahmen. Andrerseits war die Verbreiterung der Rückewege und ihre enorme Zunahme Richtung Weißwand schon erheblich. Nah an der Kante zur Weißwand erfolgten einige größere Hiebflächen; diese lassen befürchten, dass der nächste Föhnsturm wegen des lückigen Kronendachs verheerend angreifen kann.

Irritierend ist für uns auch die Entnahme vieler mittelstarker Buchen, welche allesamt noch ein langes Baumleben vor sich gehabt hätten und erst am Anfang einer langjährig hohen CO2-Aufnahme standen, auch in Form von Humusaufbau. Alte Buchen sind dort unterrepräsentiert, sie gehören doch auch wesentlich zum Umbau in einen Klimawald sprich Mischwald. Anscheinend gehören sie aber nicht in den Forstplan der „richtigen Waldzusammensetzung“. Leider hat sich der Forst diesbezüglich in der Vergangenheit schon oft geirrt. Ganz vereinzelt wurden Buchen geringelt (ringförmiges Abschälen der Rinde), um diesen Baum wenigstens als wertvolles Totholz für Insekten und Spechte mit langjähriger Kohlenstoffbindung zu erhalten. Ansonsten werden unsere Buchen leider meist der Zellstoffproduktion zugeführt, also einem extrem kurzlebigen Holzprodukt (das wenigste wird zu Funktionskleidung). Der gespeicherte Kohlenstoff landet also schnell in der Atmosphäre.

Die BaySF haben in den letzten beiden Jahren 10% ihrer Wälder zu Naturwäldern ohne wirtschaftliche Nutzung umdeklariert. Wenn man sich diese „Naturwälder“ auf der Karte anschaut, dann handelt sich bei uns (anderswo in Bayern gibt es Ausnahmen) fast ausschließlich um bruchstückhafte Areale, die aufgrund der Steilheit selbst für Harvester nicht erreichbar sind oder die, wie die Latschengürtel, wirtschaftlich noch nie genutzt wurden. Leider konnte so das oben angesprochene Juwel von Wald nicht dabei sein. Die Auswahl dieser 10% erfolgte ja nicht nach ökologischen Gesichtspunkten, sondern nach rein wirtschaftlichen Interessen der BaySF.

Auf die Frage, ob im Lattengebirge weitere solche „Resterschließungen“ geplant bzw. im Gange seien, antwortete Dr. Müller: „Ja, es werden fallweise immer wieder bestehende Rückewege, wenn notwendig, ertüchtigt bzw. auch neue Rückewege angelegt werden.“

Somit wird der Wald auf den Hochflächen des Lattengebirges, einem wichtigen Habitat der scheuen Rauhfußhühner, konsequent weiter den Interessen der Holzwirtschaft und der Rendite untergeordnet. Dazu werden immer mehr breite Forstwege angelegt: Auch den kleinen Wald westlich der Anthauptenalm auf dem Steig zum Vogelspitz, einem großartigen Aussichtspunkt auf das Saalachtal, quert seit 3 Jahren eine Forststraße. Über den altehrwürdigen Moosensteig verläuft eine LKW-Straße für die schweren Holzlader. Das Waldgebiet um den Hochmaiskopf, südlich der Anthaupten wurde in den letzten Jahren netzartig durchzogen von Schotterstraßen.

Mit neuen Rückewegen wird überall im Bezirk Natur zerstört. Bei Weißbach werden aktuell 0,25ha Wald für einen neuen Rückeweg gerodet. In Berchtesgaden erregte kürzlich der Ausbau des Ligoaschtwegs oberhalb Scharitzkehl zum breiten Rückeweg Aufsehen, begründet mit „wichtigen Waldpflegemaßnahmen“. Die meisten neuen Forststraßen kennen wir vermutlich gar nicht. Die schwerlastfähigen Straßen im Gebirgswald für Fahrzeuge bis 40 Tonnen, an denen sogar das Straßenbegleitgrün beidseits großzügig mit Mähwerken beseitigt wird, werden so dem Umbau zum Klimawald nichts nützen; im Gegenteil, durch ihre Humus- und Vegetationszerstörung, ihre Begünstigung zur Austrocknung der Wälder, dem beschleunigten Abfluss nach Starkregen mit Erosion, sind sie ein echter Klima- und Artenkiller.  

Es ist zu befürchten, dass unter Wirtschaftsminister Aiwanger der wirtschaftliche Druck auf die BaySF zulasten unserer Natur noch zunehmen wird. Verständnis für Ökologie, Natur- und Umweltschutz oder Biodiversität hat er jedenfalls bisher nicht erkennen lassen.

Dr. Meister hat bis kurz vor seinem Tod an einem Buch geschrieben mit dem bezeichnenden Titel: „Rettet unsere Wälder!“ Neben seinen forstwissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es darin auch Beispiele naturnaher Forstwirtschaft, ohne diese gewaltigen Eingriffe und die beschriebene Naturzerstörung.

 

Dr. Michael Wittmann

Bund Naturschutz Bad Reichenhall