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Schutzwald statt Stahl und Beton

In Piding wird ein neuer Steinschlagschutzzaun gebaut. Als Begründung sagt Herr Bauamtsleiter Rehm mit Blick auf den Windwurf vom Oktober 2018: „der Wald kann hier seine Schutzfunktion nicht mehr erfüllen“. Die Zäune am Fuderheuberg wurden doch überwiegend schon gebaut, bevor im letzten Oktober der Sturm Teile des Waldes umgeworfen hat. Aber gibt es denn einen besseren Schutz

30.06.2019

Schutzwald statt Stahl und Beton

Zum Artikel „Kein Zaun ohne Hubschrauber“ vom 14.6.2019 und „Mehr Abschüsse für Waldsanierung“ vom 7.5.2019 im RTB

vom Reichenhaller Tagblatt (RTB) gedruckt am 25.6.2019 als Leserbrief unter dem Titel

"Mehr Abschüsse für Waldsanierung"

In Piding wird ein neuer Steinschlagschutzzaun gebaut. Als Begründung sagt Herr Bauamtsleiter Rehm mit Blick auf den Windwurf vom Oktober 2018: „der Wald kann hier seine Schutzfunktion nicht mehr erfüllen“. Die Zäune am Fuderheuberg wurden doch überwiegend schon gebaut, bevor im letzten Oktober der Sturm Teile des Waldes umgeworfen hat. Aber gibt es denn einen besseren Schutz vor Steinschlag als quer zur Hangneigung liegende Bäume? Nur Technokraten werden sagen: Stahlnetze.

Die Schutzwirkung durch die querliegenden Stämme erkennt im Artikel vom 7.Mai neuerdings auch Forstbetriebsleiter Daniel Müller an, ganz im Unterschied zur Lage nach Kyrill 2007 und zur letztjährigen Diskussion über den m.E. völlig unsinnigen Kampf  gegen den Borkenkäfer im Schutzwald. Wieso der Forst jetzt aber trotzdem 40 % der umgestürzten Bäume herausholt, bleibt unerklärt. Vermutlich mussten diese 40% des Holzes auch entnommen werden, um das Argument für den neuerlichen Bau einer Forststraße zu liefern. Der Berg braucht aber eigentlich sämtliches Totholz als Basis für die Humusentstehung und nicht eine neue Forststraße, die wieder Erosion begünstigt und den Flächenfraß vermehrt. Im „Naturschutzkonzept für den Forstbetrieb Berchtesgaden“ von 2014 steht sogar: „Im Schutzwald ist die Betriebsintensität auf diejenigen Maßnahmen zu konzentrieren, die zwingend für die Erhaltung oder Verbesserung der Schutzfunktion erforderlich sind.“ Wie lassen sich die oben genannten Aktionen dennoch rechtfertigen?

Laut Straßenbauamt und Forstbetrieb hat der Schutzwald seine Funktion schon vor dem Sturm nicht mehr erfüllt. Die Geologie und damit die Gefährdung für die Straße hat sich durch die Gefahrenhinweiskarten von 2008 aber doch nicht verändert. Wenn man (erst?) seitdem die Gefährdung offiziell kennt, was ist dann in den letzten 10 Jahren zur Ertüchtigung des Schutzwaldes unternommen worden?

Am 7. Mai konnten wir dazu lesen, dass der Verbiss zu hoch war. Wenn der Jungwuchs fehlt und nur noch Hochstämme den Wald beherrschen, mindert dies die Steinschlaggefahr eher unzureichend. Ein intakter Schutzwald mit Totholz und Unterholz erfüllt diese Funktion jedoch sehr wohl. Sind hier neben den Jägern nicht auch die bayerischen Staatsforsten gefordert? Hätte es nicht genügt, vor Jahren bereits im betroffenen Bereich gezielt Bäume zu fällen und sie quer zur Hangneigung liegen zu lassen, um damit Lichtinseln und mit dem Totholz die Basis für eine Walderneuerung zu schaffen? Und um mit einem Mischwald auch der Windwurfgefahr zu begegnen?

Im Bereich des Windwurfs soll jetzt aufgeforstet werden, wobei die Natur das selbst genauso gut und vor allem kostenlos könnte, wie jeder am Lawinenstrich in der Ramsau oder nach dem Borkenkäferbefall am Obersee beobachten kann. Für die Kosten der Aufforstung kommen ja laut Daniel Müller großzügig die bayerischen Staatsforsten auf. Wurde hier nicht vieles versäumt, was jetzt die Allgemeinheit mit viel Geld und der Verschandelung der Landschaft bezahlt? Das Straßenbauamt vernetzt zur Zeit mit einem Millionen-Aufwand gefühlt sämtliche Felsen im Bereich der Alpenstraße, das Landschaftsbild scheint überhaupt keine Rolle mehr zu spielen. Sind diese technischen Lösungen wirklich notwendig?

Karl Valentin gab einmal an, er ziehe in ein 1000m tiefes Bergwerk aus Angst vor Meteorsteinen. Valentin: …“mir geht die Sicherheit eben über die Seltenheit“. Ich möchte manchem Amtsleiter, der sich so intensiv auf die Verkehrssicherungspflicht beruft, und in diesem Zusammenhang auch manchem Juristen und Richter, raten, in ein Bergwerk zu ziehen. Dann bräuchten wir uns nicht für viel Geld unsere Natur und Landschaft verschandeln zu lassen. Auf jeden Fall lassen sich mit Angst trefflich Politik und Interessen durchsetzen.

 

Dr. Michael Wittmann, Karlstein