Neubau Zentralklinik: Maßlos überzogen
Pressemitteilung
Bad Reichenhall: Stellungnahme des Bund Naturschutz zum Vorentwurf des Bebauungsplans „Campus Zentralklinikum Berchtesgadener Land"
Nach Sichtung der umfangreichen Unterlagen des Vorentwurfs sieht sich der BUND Naturschutz in seiner ablehnenden Haltung zum Klinikneubau an dem neuen Standort zwischen Saalach und B20/21 bestätigt. Im Folgenden beschränken wir uns auf vier gewichtige Gründe: Artenschutz, Hoch- und Grundwasserschutz, städtisches Klima und Freizeiteinrichtungen sowie die Verkehrserschließung.
Artenschutz
Mit den vorgelegten Kartierungen wurde der beachtliche Reichtum an seltenen Fledermausarten dokumentiert. Erfasst wurden u.a. die vom Aussterben bedrohte Wimperfledermaus, des Weiteren die Zweifarbfledermaus, die Mopsfledermaus, die Bechsteinfledermaus und die kleine Hufeisennase. Die Mopsfledermaus hat dort wahrscheinlich sogar eine Wochenstube. Artenkenner Wolfgang Bittner weist darauf hin, dass von den 24 in Deutschland beheimateten Fledermausarten am Planungsgelände 17 Arten nachgewiesen werden konnten. Wimper-, Mops- und Bechsteinfledermaus sind nach gemäß EU-Recht streng geschützte Arten des FFH-RL Anhang II, für die ein eigenes Schutzgebiet ausgewiesen werden muss. Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass das Aufhängen von Fledermauskästen für die besonders streng geschützten Arten, wie in den Planungen beschrieben, keine wirksame Gegenmaßnahme als Ersatz für den zerstörten Lebensraum ist. Mit der Rodung der besonders wertgebenden Lindenallee und weiteren Bäumen, den jahrelangen Baumaßnahmen und schließlich dem Klinikneubau mit der Vernichtung von bevorzugten Jagdrevieren, wird das Habitat so beeinträchtigt, dass von einem Erlöschen mancher Vorkommen bzw. eine Abwanderung auszugehen ist. Dies stellt einen Verbotstatbestand nach dem Bayerischen Naturschutzgesetz dar und ist auch mit EU-Recht unvereinbar.
Stadtbild und städtisches Klima
Dieser Neubau würde mit einer Versiegelung von etwa 40.000m2 Grünland zu schwerwiegenden Auswirkungen auf Natur, Mikroklima, Niederschlagswasser und Biodiversität führen, ganz abgesehen vom Verlust des Naherholungsgebietes.
Mit der zunehmenden Erwärmung werden Kaltluftentstehungsgebiete wie an der Saalach für das Kleinklima immer wichtiger; trotzdem wird hier akzeptiert, dass diese Funktion verloren gehen wird mit allen Auswirkungen für die umgebende Bebauung und das Stadtklima. Im Zentrum des Baugebiets, jetzt neben dem Skaterplatz, steht die Lindenallee in Fortsetzung der Friedrich-Ebert-Straße, welche dem Neubau geopfert werden soll. Diese Lindenallee hat landschaftsprägenden Charakter und kann durch Ersatzpflanzungen und das Aufhängen von Fledermauskästen nicht kompensiert werden. Die hohe ökologische Wertigkeit dieser Baumreihe ist durch die Fledermauskartierung (s. oben) und nicht zuletzt durch die Ausgleichswertermittlung belegt. Mit der Rodung dieser Allee würde die bisher bestehende grüne Achse der Stadt vom Axelmannstein-Park bis zur Saalach als wesentliches städtebauliches Element unterbrochen und durch einen fast 300 m breiten und bis 32 m hohen Betonklotz ersetzt.
Hoch- und Grundwasserschutz
Nach Aussagen der KSOB besteht am jetzigen Standort in der Riedelstraße eine „prekäre Grundwassersituation“, aber am geplanten Standort in direkter Nachbarschaft zur Saalach sehen die Planer keine Gefahren durch Hoch- oder Grundwasser. „Das halten wir für unseriös, angesichts der stetig zunehmenden Extremwetterlagen in den letzten Jahren, forciert durch den Klimawandel,“ so Ortsvorsitzender Dr. Michael Wittmann. In den ausgelegten Unterlagen fehlen grundlegende Angaben zur Bautiefe und zu den Grundwasserpegeln bei verschiedenen Wasserständen der Saalach, weshalb diesbezüglich erst vorläufige Einwendungen möglich waren. Aus den Planungsinterlagen für das Wasserkraftwerk Nonner Rampe kann man abschätzen, dass der 5,5m unter der Geländeoberfläche geplante Wirtschaftshof bereits bei mittlerem Wasserstand der Saalach den Grundwasserspiegel tangiert.
Auch zur Bewältigung des Auftriebsproblems der Baugrube bei Hochwasser nehmen die Projektanten völlig ungenügend Stellung. Zur Erinnerung: Das Straßenbauamt hat 2017 wegen dieses Auftriebs vor einer sog. Einhausung mit entsprechender Absenkung der B20/21 gewarnt!
Ein durch das Klinikum verursachter erwartbarer Grundwasserstau, speziell in Kombination mit der nahen Rupertus-Therme, wird erstaunlicherweise überhaupt nicht erwähnt.
Der Geologe Dr. Volker Diersche weist auch darauf hin, dass laut Bayerischem Landesamt für Umwelt das Baugelände in einem „z.T. gefährdeten Hochwasser- bzw. Überschwemmungsgebiet“ liegt. Für die dargestellten Überschwemmungsbereiche HQ100 (hundertjähriges Hochwasser) und HQextrem ist zu befürchten, dass – ohne Schutzmaßnahmen - bis zu 50% des Klinik-Geländes und mehr überschwemmt werden könnten.
Verkehrserschließung
„Die geplante Verkehrsführung erinnert an einen verstiegenen Bergsteiger, der immer verwegenere Routen und Auswege sucht, statt vernünftigerweise umzukehren“, meint Vorstandsmitglied Peter Renoth. Weiter hebt er hervor, dass das bestehende Kreiskrankenhaus über mehrere unterschiedliche Wege erreicht werden kann. Wie kann aber die neue „Zentralklinik“ von Rettungskräften verzugsfrei erreicht werden, wenn bei Starkregen oder Grundwasseranstieg die Unterführung Kurfürstenstraße überflutet wird, was die Starkregensimulation der Stadt aus 2023 vermuten lässt.
Die vorgelegten Unterlagen zur Planung sind in vielfacher Hinsicht unvollständig, mangelhaft und lassen viele Fragen offen. Insbesondere wird die Notwendigkeit der Planung nicht stichhaltig belegt, wodurch das gesamte Projekt als maßlos überzogen erscheinen muss.
Im gesamtgesellschaftlichen Interesse ist eine kostengünstige, ressourcen-schonende Alternative mit einem Teilneubau an der Riedelstraße, wo selbstverständ-lich ebenfalls eine optimale medizinische Versorgung in Zukunft gewährleistet werden kann, die nachhaltigere, sicherere und bezahlbare Variante.
Rita Poser . Dr. Michael Wittmann
Fotos Dr. M. Wittmann