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Baumfällungen an der Strailach – Klimawald geht anders

Unsere Forstministerin Kaniber zeigte sich begeistert von dem ökologisch intakten Wald des Biobauern Praxenthaler in Thannsberg und meint: „Bei uns ist die Welt noch in Ordnung.“ (RTB 22.6.2023). Wenn man die regelmäßigen Pressemitteilungen der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) liest, mag man dies auch für unseren Staatswald glauben,

23.09.2023

Baumfällungen an der Strailach – Klimawald geht anders

 

Unsere Forstministerin Kaniber zeigte sich begeistert von dem ökologisch intakten Wald des Biobauern Praxenthaler in Thannsberg und meint: „Bei uns ist die Welt noch in Ordnung.“ (RTB 22.6.2023).  Wenn man die regelmäßigen Pressemitteilungen der Bayerischen Staatsforsten (BaySF) liest, mag man dies auch für unseren Staatswald glauben, denn unser Wald sei ja überall in besten Händen. Laut Kaniber gibt Bayern 95 Millionen Euro aus „um den Wald zu bewahren und dessen Zukunft zu sichern“.

Mit den auch als „Waldpflegemaßnahmen“ deklariertem Umbau zum Klimawald werden immer noch mit schwerem Gerät bis in Steillagen neue Straßen und Rückegassen in den Wald gebrochen und wertvoller Waldboden zerstört.  Ein abschreckendes Beispiel der Folgen einer solchen „Verjüngungskur für den Wald“ (RTB 24.3.2023) kann man in Bad Reichenhall im Bergwald an der Streilach, zwischen Gablerhof und Campingplatz, besichtigen. Dort wurde mit Harvestern ein fächerförmiges Wegenetz bergauf in den Wald gebrochen und mit schweren Rückewägen das Holz im März bei nassen Bodenverhältnissen abtransportiert. Die Nässe machte dem Einsatzleiter deswegen Sorgen, da „die Transporter ihre Zugkraft verlieren“ und Forstbetriebsleiter Dr. Müller sorgte sich, dass die Maschinen den Waldboden „möglichst wenig verdichten“, was Äste und Zweige in den Fahrspuren hätten bewirken sollen. Die bis 30 Tonnen schweren Maschinen hinterließen breite Wege und vor allem tiefe Spurrillen im Waldboden, die die Erosion begünstigen, wie Gräben den Hang entwässern und damit den Wasserrückhalt im Boden massiv beeinträchtigen. Zudem brennt die Sonne jetzt auf die nackte Erde. Wie sagte Frau Minister noch beim Biobauern: „Der Wasserrückhalt ist ein zentraler Punkt“. Gilt dies nicht für unsere Staatsforste? Es wird im Unterschied zu 2023 künftig auch wieder richtig trockene Sommer geben.  Wie soll ein Wald zukunftsfähig werden, wenn man ihm in solchem Ausmaß das Wasser entzieht, das gerade die Jungpflanzen mit ihren oberflächlichen Wurzeln so dringend brauchen?

Der Waldboden ist selbst ein erheblicher Kohlenstoff-Speicher und jede Schädigung setzt wieder Klimagase frei, da der Humus offengelegt und dadurch schnell abgebaut wird. Auch die sogenannten Mykorrhiza-Pilze, auf die gesunde Bäume mit ihren Wurzeln angewiesen sind und die die Bäume miteinander vernetzen, werden zerstört.

Das Beispiel des Streilachwaldes widerspricht diametral der Zielsetzung Klimawald, wenn der Kohlenstoff-Speicher Waldboden zerstört, Humus abgebaut und dadurch Klimagase freigesetzt werden, und der Wald in seiner Funktion einer CO2-Senke anhaltend geschädigt bleibt.

Diese teure, klimaschädliche Form des Waldumbaus verstößt eklatant gegen die Vorgaben des Bayerischen Waldgesetzes, das die naturschonende Erschließung (Art. (2) 2 BayWaldG)  sowie die pflegliche Behandlung des Waldbodens (Art. (2) 3 BayWaldG) bei der Waldbewirtschaftung  vorschreibt. Gerade von den Bayerischen Staatsforsten als Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaates Bayern darf erwartet werden, dass gesetzliche Vorgaben strikt beachtet werden.

Diese angeblich „forstwirtschaftliche Pflege“ leistet einen Beitrag zu den hohen Hiebszahlen des Forstbetriebs Berchtesgaden, die strikt 100.000 Festmeter Holz pro Jahr verlangen. An der Streilach wurden davon 1.700 Festmeter Holz geerntet, darunter viele schöne Buchen, die sicher nicht nur „zu Baumwollersatz“, sondern leider überwiegend zu kurzlebigem Zellstoff oder Brennholz verarbeitet werden.

Trotz großer Beteuerung des „hohen Stellenwerts von Naturverjüngung bei den BaySF“ („Gepflanzt wird nur dort, wo es nötig ist“, Dr. Müller, RTB 1.4.2023) wurde danach wieder mehrtausendfach gepflanzt, wieder teuer. Dazu kommt an der Streilach eine ernüchternde Überlebensrate der Jungbäume dank einer privaten Wildfütterung auf der benachbarten Padinger Alm. Gepflanzt wurden auch viele Fichten, obwohl Fichten rundherum absamen und doch wahrlich nicht zu den Zukunftsbäumen gehören. Beispielhaft hat der Gewittersturm von Anfang August laut Förster Prielmeier zu 75% Fichten umgeworfen. Der Umbau zum Klimawald ist da schnell wieder vergessen, der nächste Sturm kommt bestimmt und damit natürlich auch der Borkenkäfer, und dann „müssen“ (oder dürfen?) die Förster schon wieder dringend eingreifen und erneut „pflegen“.

Die völlig ungeeigneten Witterungsverhältnisse während des Einsatzes solch schwerer Maschinen hatten auch die Forststraße zwischen Nonn und Piding schwer in Mitleidenschaft gezogen; aufwändig mit Bagger und vielen Tonnen Frostschutzkies musste die Fahrbahn anschließend wieder befahrbar gemacht werden.

Wenn die langfristigen ökologischen Folgekosten solchen Handelns nur annähernd realistisch kalkuliert würden, erschiene der Erlös aus dem Holzverkauf geradezu marginal.  Walderhalt wird für das Klima und künftige Generationen jedenfalls wichtiger sein als Holzverkauf, wobei diese Aufgabe unter den sich rasch zuspitzenden Folgen des Klimawandels eine zweifellos sehr große Herausforderung sein wird! Wäre es nicht sinnvoll, im Alpenraum die Hiebszahlen der BaySF zu senken und uns diesen wertvollen Wald zu bewahren, wenn in trockeneren Regionen Bayerns der Wald doch schon stirbt?

Schöne Bilder, Sonntagsreden und Millionen Fördergelder „verkaufen“ sich immer gut, besonders im Wahljahr, haben aber leider mit dem traurigen Alltag unserer hochindustrialisierten staatlichen Forstindustrie wenig zu tun.

Hier der Link zu einem Beitrag von Prof. Ibisch auf youtube. Anlässlich des 5. Leipziger Auenökologiesymposiums (und nach einem klimarekordverdächtigen Dreivierteljahr 2023) ein aktueller Blick auf die Situation des Waldes in Deutschland "auf dem Weg in die Heißzeit"

https://www.youtube.com/watch?v=f0azSCitccU

 

Dr. Michael Wittmann