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Felsbilder im Watzmanngebiet

Interessierte Naturfreunde auf den Spuren unserer Vorfahren

(20.06.2012) Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) hatte im Rahmen der Bayern Tour Natur zu einer besonderen Wanderung nach Kühroint eingeladen. Die meisten waren an den Findlingen mit den Felsritzzeichen schon des Öfteren vorbeigegangen ohne sie gehen zu haben. Am Ende der Exkursion hatten alle ein Gespür dafür, wo man diese Zeichen finden kann und dass sie unbedingt erhaltenswert sind.

 

Von Hammerstiel ging es über den Grünstein nach Kühroint. Direkt an der Forststraße lag dort der erste große Findling mit Felsritzzeichen. Weitere Felsblöcke mit Ritzzeichen liegen im gesamten Kührointalm-Gebiet am Watzmann.

 

Seit Jahrhunderten, vielleicht Jahrtausenden haben sich Menschen darauf mit vielerlei Symbolen verewigt. Der Geologe Dr. Volker Diersche und seine Frau öffneten den zahlreichen Exkursionsteilnehmern den Blick für diese kleinen Sehenswürdigkeiten entlang alter Wanderwege.

An den insgesamt 9 besuchten Felsbildstellen fanden sich viele rein christliche Symbole (Jesusmonogramm , Marienmonogramm, verschiedene Kreuzformen, liegendes Dreieck mit Punkt als Auge Gottes), daneben christlich-heidnische/abergläubische  (Pentagramm, Radkreuze, Näpfchen, stilisierte Sexualsymbole, Gitter, Sanduhr) sowie Jahreszahlen, Initialen, Namen, Kartuschen und schwer deutbare menschenähnliche Darstellungen, und Menschen mit Jagdbeute. Letztere könnten für die Beschwörung von Jagderfolg stehen.

 

Natürlich ist eine genaue Datierung und Deutung der Ritzzeichnungen und Symbole schwierig bis nahezu unmöglich. Aber es gibt Jahrtausende alte Zeichen wie das Pentagramm, auch Drudenfuß genannt, das aus Ägypten stammt und bei uns bis in die Neuzeit Schutz gegen  Böses bieten und die Drud abwehren sollte, die Verursacherin der Alpträume.

Die verschiedenen Kreuz-Formen könnten ab dem 5. Jahrhundert,  im wesentlichen aber wohl erst  nach der Gründung des Chorherrenstiftes  Berchtesgaden um  1102 eingeritzt worden sein.

Es finden sich das  normale Kreuz , das Andreaskreuz oder Malkreuz, das Malteserkreuz, das Kreuz mit Näpfchen und  das sog. Wiederkreuz mit Querbalken an den Enden als besonders starkes  Segenszeichen. Die Kreuze mit Näpfchen sind wohl die ältesten, und dem aus den Näpfchen durch Ausschaben gewonnenen Steinmehl wurde Heil- und Segenskraft zugeschrieben.

 

Ein von den Exkursionsteilnehmern entdecktes  Christogramm IHS ist wegen des aufgesetzten Kreuzes wohl erst  nach dem 17. Jahrhundert entstanden. Die bisher älteste Jahreszahl auf den Felsblöcken im Kühroint-Gebiet stammt von 1777.

Es wurde gefragt, warum die Ritzzeichen besonders  im Gebirge auftreten. Dr. Diersche begründete  dies damit, dass die Menschen im unwegsamen Gebirge  besonders stark der Witterung / Regen, Schnee, Unwetter, und der Einsamkeit und Stille ausgeliefert waren. Bären und Wölfe waren noch heimisch.

Der Jäger und später auch  Bauer/Senner(in), oft noch des Lesens und Schreibens unkundig, erflehten und beschworen deshalb mit den Symbolen an den Wänden der Felsblöcke Segen und  Schutz vor vielerlei Ungemach. Auffällig ist, dass die Felsritzzeichen sich oft  an überhängenden, dunklen, geradezu mystischen Stellen befinden, unter denen man Schutz suchen konnte.

Wie Dr. Diersche informierte, wurden die Almen  um den Watzmann laut schriftlichem Nachweis seit mindestens 1385 genutzt , die Gotzen-Alm wahrscheinlich  schon lange  vor 788/90 , und die ältesten Almen im Alpenraum sogar schon vor 4000 Jahren in der Bronzezeit.

 

An der sog. "Benzinkurve" wurde beim Abstieg zur Schapbachalm noch ein großer Block mit Ritzzeichen gezeigt, auf dem ältere Ritzsymbole leider fast gänzlich von jungen Kritzeleien überdeckt und unkenntlich gemacht wurden.

Felsritzzeichen sind wertvolles und einmaliges altes Kulturgut unserer Vorfahren, aber gefährdet, weil gesetzlich bisher nicht vor Vandalismus und Zerstörung geschützt. Es wäre deshalb an der Zeit, hier eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Das ist aber bisher im Dickicht von Verwaltung und Zuständigkeit festgefahren. Wenigstens Hinweistafeln könnten hier zunächst helfen!

Anregungen wie der Gestaltungsvorschlag bei den Felsritzzeichen am Großen Stangerstein/Parkplatz Königssee wurden bisher leider nicht aufgenommen.

So bleiben hier zunächst nur eindringlicher Aufruf und Bitte um Verständnis an den Bergsteiger und Naturfreund, daß er Zerkratzen und Zerstören der Felsritzzeichen unterläßt. Nur so kann dieses älteste Kulturgut unserer Gebirgsregion für künftige Generationen erhalten bleiben.

Dr. Volker Diersche