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Saalach-Kraftwerk auf Kosten der Allgemeinheit

"Projektbetreiber: Kraftwerk um des Klimas willen´" vom 30.Juni 2018 im Reichenhaller Tagblatt; Die Projektplaner des Wasserkraftwerks Schneizlreuth wollen ein "Kraftwerk um des Klimas willen". Dazu folgender Leserbrief

15.08.2018

Die Projektplaner des Wasserkraftwerks Schneizlreuth wollen ein "Kraftwerk um des Klimas willen". Es werden jedoch Vorteile propagiert, die einer näheren Betrachtung kaum standhalten können.

Es ist bekannt, dass die sogenannten erneuerbare Energiequellen wie die Wasserkraft Strom (fast) ohne fossile Brennstoffe beziehungsweise Ausstoß von Kohlendioxid erzeugen.

Auf ihrer Homepage schreiben die Betreiber: "200-fache Wiedergewinnung der in das Kraftwerk investierten Energie (Windenergie 30-fach, Photovoltaik bis 6-fach), daher größter Beitrag zum Klimaschutz und zur Erhaltung der Artenvielfalt". Die angegebene 200-fache Wiedergewinnung der beim Bau investierten Energie, der sogenannte Erntefaktor, beruht wohl auf den Literaturangaben für ein konventionelles Laufwasserkraftwerk. Ein solches Kraftwerk mit Stauwehr und weitgehend integrierter Turbine ist aber mit dem geplanten Projekt nicht vergleichbar: Hier soll schließlich ein 6km langer Tunnel mit etwa 6m Durchmesser durch den Fels getrieben werden. Ich möchte daher die Betreiber auffordern, den gesamten erforderlichen Energieaufwand für den Bau des Kraftwerks einschließlich Tunnel, den Abtransport des Gesteins, für die Produktion des benötigten Betons und Stahls usw. offen zu legen. Maßgeblich für den Erntefaktor ist weiterhin die Angabe der geplanten Lebensdauer des Kraftwerks.

Erst dann kann man ermessen, wie sich der (erwartet hohe) sofortige Energieeinsatz, zu den erwarteten Einsparungen in Tonnen CO2 verhält. Und welcher Zeitraum bis zur Amortisation der eingesetzten Energie vergeht.

In der Schweiz hat man viel Erfahrung mit Wasserkraft. Der Verband schweizerischer Elektrizitätsunternehmen würde die hier geplante Anlage noch als Kleinwasserkraftwerk bezeichnen (Quelle: Basiswissen Kleinwasserkraftwerke Januar 2018). Die Kosten für den erzeugten Strom werden jetzt bereits als über dem Marktpreis liegend eingeschätzt.

Wie die Betreiber in diesem Zusammenhang auch noch die "Erhaltung der Artenvielfalt" sichern wollen, erschließt sich mir nicht. Denn wirklich "nachhaltig" bei diesem Projekt scheint mir nur die Zerstörung der Saalach mit eher desaströsen Folgen für die Tierwelt zu sein.

Die Betreiber versprechen auch "mehr Unabhängigkeit von Importen". Die deutsche Strombilanz mit dem Ausland ist schon seit 2003 positiv, der deutsche Stromüberschuss nimmt kontinuierlich zu. Deutschland hat inzwischen riesige Überkapazitäten an Strom. Welche Importe sind denn gemeint?

Weiterhin soll die Versorgungssicherheit verbessert werden. Wenn wir derzeit überhaupt noch - dann auch nur regionale - Stromversorgungsprobleme haben, dann ist dies im tiefsten Winter der Fall, wenn Schnee die Photovoltaikanlagen bedeckt, kein Wind weht und der Stromverbrauch gleichzeitig hoch ist. Hier wäre ein Kraftwerk gefragt, das dann die Grundlast abdeckt. Pech nur, dass gerade in dieser Zeit der Gebirgsfluss Saalach Niedrigwasser aufweist, so dass die Grundlastdeckung durch ein solches Kraftwerk nicht gewährleistet werden kann. Es sollen ja 19.000 Elektrofahrzeuge mit Strom versorgt werden können. Im Winter, wenn die Fahrzeuge besonders viel Strom verbrauchen, kann bitte nicht gefahren werden. Also nur Cabrios bitte.

Entschuldigung, ich wollte ja nicht "kurzsichtige und oft polemische Einwände" bringen, Herr Reschen. Aber welche Argumente sind hier wirklich kurzsichtig?

Wasserkraft ist zweifellos wichtig für unsere Energieversorgung, auch bzgl. CO2-Austoß, hat regional aber auch schon große ökologische Probleme verursacht. Nicht jeder Groß-Verbraucher sollte sich sein eigenes Kraftwerk auf Kosten der Allgemeinheit und der Natur bauen können.

 

Dr. Michael Wittmann, Karlstein