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Ortsgruppen

„Nicht tatenlos zusehen“

So lautete die Parole der Jahreshauptversammlung des Bund Naturschutz, Ortsgruppe Bad Reichenhall. Eine gut besuchte Veranstaltung, ein interessanter Rückblick auf das Jahr 2018, die Ehrung einiger langjähriger Mitglieder und ein unterhaltsames Rahmenprogramm – alles könnte so schön sein, wären da nicht die vielen wirklich schlimmen Eingriffe in die Natur, auf die die Ortsgruppenvorsitzende Ute Billmeier wieder aufmerksam machen musste.

09.01.2019

Beispielhaft können hier nur wenige aufgeführt werden.

Zu dem geplanten Wasserkraftwerk an der Nonner Rampe in Bad Reichenhall gesellt sich jetzt mit immer konkreter werdenden Plänen das Ausleitungskraftwerk Unken/Schneizlreuth. Hier soll ca. 80% des Wassers der Saalach in Unken ausgeleitet und 6,32 km durch einen Tunnel mit ca. 5 m Durchmesser geführt werden, um dann in Jettenberg über 2 Turbinen zur Stromherstellung laufen zu können. Aus einem wilden Gebirgsfluss wird über viele Kilometer nur noch ein Rinnsal übrig bleiben. Dazu muss aber erst ein Tunnel durch Achberg und Kienberg gebohrt werden. Tunnelbohrmaschen müssen um rentabel zu arbeiten, Tag und Nacht laufen. Demnach müssen auch LKW´s Tag und Nacht fahren: Um Abraum wegzubringen und um neues Material für die Innenverkleidung anzuliefern. Mehr als 100.000 LKW-Bewegungen für ein solches Projekt sind da nur grob geschätzt. Utopie oder Fiktion, fragten sich einige Anwesende? Leider nein, auch wenn es noch so unwahrscheinlich klingt. Dieses Vorhaben möchte die Wasserkraft Schneizlreuth GmbH & Co. KG durchsetzen. Im österreichischen Unken hat sich eine Bürgerinitiative gegen die Zerstörung dieses noch natürlichen und wildromantischen Flussabschnittes gebildet. „Wasser ist Leben – rettet die Saalach“ ist das Motto dieser BI. Hier bestehen schon beste Verbindungen, auch zum Naturschutzbund Österreich hat die Ortsgruppe bereits Kontakt aufgenommen. Dieses grenzübergreifende naturzerstörende Projekt darf niemals umgesetzt werden. Da sind sich alle Naturschützer einig.

Auf überhaupt kein Verständnis stößt auch das geplante neue Landratsamt in Bad Reichenhall bei den Naturfreunden. Der Flächenfraß in Bayern ist eines der größten regionalen Umweltprobleme unserer Zeit. Leider interessiert sich eine Behörde wie das Landratsamt mit Vorbildfunktion nicht für den achtsamen Umgang mit dieser Ressource. Das Hauptgebäude wurde 1978 gebaut, der Ostflügel 2007 angebaut. Die gerade einmal ca. 40 und 10 Jahre alten und gut erhaltenen Gebäude sollen jetzt der Abrissbirne ausgeliefert werden. Relativ große Parkplatzflächen sind rund um das jetzige Landratsamt angeordnet. Da muss man nicht lange nachdenken, um auf die Idee zu kommen, dass man die Autos geschickter in einem Parkhaus unterbringen könnte, um auf den frei gewordenen Flächen neue Büros erstellen zu können. Dem Normalbürger erschließt es sich nicht, dass man Büros aus den 70er Jahren nicht mehr sanieren kann - vom 10 Jahre alten Ostflügel ganz zu schweigen. Auch ein Hinweis darauf, dass der Neubau „nur“ ein paar Millionen teuer wäre (ca. 37,5 Mio. für den Neubau und 32,5 Mio. für die Sanierung), als eine Sanierung und Erweiterung des bestehenden Landratsamtes, macht die Sache nicht besser. Anstatt vorbildlich vorzugehen, soll jetzt ein neues Landratsamt auf der grünen Wiese direkt nebenan entstehen. Mit Ermächtigung des Kreistags konnte von der Congregatio Jesu (Englische Fräulein) eine Grünfläche mit ca. 20.000 m² (zu einem fairen Preis, so betont der Landrat) angekauft werden. Eine Wiesenfläche, die bisher intensiv für die Landwirtschaft genutzt wurde. Für die Umwelt heißt das: es geht wieder eine Fläche verloren, die als Futter für die Kühe dient, die entsprechende Mengen Gülle aufnehmen kann, die unverdichtet ist, also das schnelle Abfließen von (Stark)Regenfällen verhindert, die als Lebensraum für Insekten und Kleintiere dient und vielen Vögeln Nahrung bietet.  Würde man eine Ökobilanz für den Neubau des Landratsamtes aufmachen und dazu noch die Vernichtung des Baumaterials beim alten Landratsamt einfließen lassen, käme ein katastrophales Ergebnis dabei heraus.

Im Zeitalter der Digitalisierung, d.h. von jedem Ort und zu jeder Zeit alles erledigen zu können, fragt man sich wirklich, ob das Gesamtkonzept für ein neues Landratsamt noch stimmig ist. Wer geht in ein paar Jahren noch persönlich zum Landratsamt? Wie viele Mitarbeiter werden lieber vom Homeoffice aus arbeiten? Kann es sein, dass in ein paar Jahren im neuen Landratsamt Büros leer stehen werden, da die Mitarbeiter zu Hause arbeiten und die Kunden ihre Anliegen per Computer erledigen?

Als Begründung für den Neubau wurden u.a. auch Klimaschutzziele des Landkreises in punkto Nachhaltigkeit angeführt. Als nachhaltig kann der Neubau auf der grünen Wiese und zudem noch in einer Biosphärenregion jedoch in gar keinem Fall gewertet werden, bestenfalls als sinnfreie Worthülse. Für dieses Bauvorhaben gab es von den Naturschützern die rote Karte.